Grusswort General Konsul Peter Vermeij MCBW 2016 Mediatag, 17 februar 2016
Sehr geehrte Anwesenden
Sehr geehrte Frau Claus
Es ist mir eine große Freude, Sie alle hier begrüßen zu dürfen.
Lassen Sie mich zunächst sagen, dass es für uns eine besondere Ehre ist, dieses Jahr Partnerland des wichtigsten deutschen Design-Events zu sein. Der Grund dafür ist, dass die Dachorganisation, ‚Federatie Dutch Creative Industries‘ entschieden hat, eine Kampagne zu starten zur Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen der Niederländischen Kreativwirtschaft und der deutschen Wirtschaft. Deren Bedeutung lässt sich an dem Exportvolumen der niederländischen Kreativwirtschaft nach Deutschland in Höhe von ca. 530 Mio. pro Jahr ermessen. Die Region Süddeutschland ist für uns ein besonders wichtiger strategischer Partner vor allem unter wirtschaftlichen Aspekten. Die niederländische Kreativwirtschaft setzt daher in den kommenden Jahren alles daran, eine dauerhafte und nachhaltige Partnerschaft zu etablieren.
So präsentierte sich die Dutch Creative Industries im vergangenen Jahr bereits auf der Gamescom und der Dmexco und erstmalig auch auf der MEDICA in Düsseldorf.
2016 wird das Jahr der Literatur. Die Niederlande sind das Gastland der Frankfurter Buchmesse. Außerdem wird es wieder einen Holland Pavillon auf der Gamescom und der DMexco geben. Das diesjährige Reeperbahnfestival darf sich ebenfalls über eine Kooperation freuen. Die Niederlande werden als Länderschwerpunkt mit dem kreativen b2b Format „Dutch Impact“ vertreten sein.
Der niederländische Kreativsektor ist der führende Sektor, wenn es darum geht, fruchtbare Crossovers zu initiieren. Unter dem Motto „was können wir vom Nachbarn lernen“ wurden bislang drei Editionen des booklets „Crossover“ mit Beispielen transdisziplinärer Kooperationen ins Deutsche übersetzt.
Und nun also die Munich Creative Business Week:
Wer an München denkt, dem fällt womöglich sofort der Slogan „Weltstadt mit Herz“ ein oder auch die berühmte Weißwurst und andere gängige Klischees.
Aber wer hätte gedacht, dass die Kreativwirtschaft der Region ein ebenso stilles wie tiefes Wasser ist. Wir haben es nun seit kurzem schwarz auf weiß.
Der gerade erschienene Report zur Kultur- und Kreativwirtschaft zeigt eindrucksvoll, dass es der Kreativbranche in und um München richtig gut geht.
22,9 Milliarden Euro setzte sie in der Region im Jahr 2014 um. Hollands Kreativwirtschaft setzte – zum Vergleich – im 2014 Jahr 32, 8 Milliarden Euro um.
Und auch im europäischen Vergleich schlägt sich die Metropolregion München hervorragend: Die EU-Kommission zählt sie – neben Paris und London – zu den stärksten Bereichen der Kreativwirtschaft in Europa.
Die schlechte Nachricht ist, dass innerhalb von nur drei Jahren die Kultur- und Kreativwirtschaft der Metropolregion München ihr großes Vorbild Amsterdam nicht nur erreicht, sondern überholt hat. Wir müssen uns also ranhalten, etwas salopp ausgedrückt.
Am kommenden Samstag nun öffnet die MCBW zum fünften Mal ihre Tore.
Das Motto der MCBW 2016 Design Connects: Visions for Economy‘ könnte für uns nicht passender sein.
Die Beiträge der niederländischen Kreativwirtschaft zeigen nämlich allesamt, wie unsere Designer sich seit Jahren intensiv mit den gesellschaftlichen, ökologischen, wirtschaftlichen, aber auch ethischen Herausforderungen unserer Zeit auseinandersetzten. Stellvertretend für die zahlreichen Ausstellungen, Konferenzen und Workshops möchte ich einige Beiträge besonders hervorheben:
Im Rahmen des MCBW Forums präsentiert der Dutch Design Award, die renommierteste Designinstitution der Niederlande, die Arbeiten von neun Finalisten des Dutch Design Award 2015 „Best of Dutch Design“.
Seit 2003 verleiht sie Preise in verschiedenen Kategorien basierend auf dem Grad an Innovation des Designs und seinem gesellschaftlichen Beitrag.
Bei den MCBW Lectures treffen deutsche und holländische Designer auf Wissenschaftler und Philosophen beider Länder.
Die Lectures wurden zusammen mit dem Amsterdamer Studio ‚Reframing Studio‘ konzipiert. Das Thema Design & Ethik ist ebenso spannend wie kompliziert.
Mit der zunehmenden Globalisierung werden auch die damit zusammenhängenden ethischen Dilemmata komplizierter. Unsere ethisch-moralischen Maßstäbe verschieben sich zunehmend von der Maxime der kollektiven Verantwortung hin zu individueller Verantwortung. Das ist erstmal kein Designproblem, aber da Designer zur Verbesserung der Lebensverhältnisse beitragen, ist die Verbindung von Design und Verantwortung ganz offensichtlich. Es geht also darum, die sozialen und moralischen Pflichten des Designers zu definieren. In Zukunft wird es zunehmend um die Wahrung der Menschenwürde und Respekt vor allen Lebewesen gehen. Aber wo hört Verantwortlichkeit für das Produkt oder das Objekt auf? Muss sich der Designer für das Motiv eines Auftraggebers interessieren, der zum Beispiel seine Monopolstellung auf dem Markt ausbauen will?
Und sind Wertvorstellungen nicht immer eine Frage der individuellen Perspektive?
Fragen über Fragen, die zu erörtern an dieser Stelle aber zu weit führen würde.
Auch Design-Stars wie Marcel Wanders und Dirk van der Kooij fehlen nicht auf der MCBW. Der Altmeister Wanders ist mit einer Ausstellung in den Neuen Werkstätten und einem Designtalk in der Neuen Sammlung vertreten. Dirk van der Kooij is bei Ingo Maurer in der Kaiserstraße zu Gast. Die Entwürfe von Marcel Wanders und Dirk van der Kooij zeigen auf eindrucksvolle Weise die Kombination von Handwerk und Technik, ergänzt um digitale Robotertechnologie.
Am 25. Februar 2016 findet in der Pinakothek der Moderne das Symposium „DeUTsCH“ statt. Dutch und Deutsch in einem Wort vereint drückt aus, worum es geht, nämlich um Unterschiede Gemeinsamkeiten und Synergiepotentiale. Konzepte für Wohnungsbauprogramme sind wichtiger denn je zuvor. Niederländische Architekten spielen heute bereits eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung von gebauten Zukunftsvisionen.
Auch das Thema „Glück am Arbeitsplatz“ ist Bestandteil unseres Programms: Unter dem Motto „Office Escape“ können Sie im renovierten KantoorKaravaan Wohnwagen vor der Kongresshalle der lästigen Büroroutine entfliehen und mit Ihrem Laptop einfach mal woanders arbeiten. Drahtloses Internet, mobile Küche, alles vorhanden für ein Meeting in entspannter Atmosphäre.
Ohne Design geht nichts mehr in den Niederlanden. Circular Design zum Beispiel leistet einen wichtigen Beitrag zur Neugestaltung der regenerativen Kreislaufwirtschaft. Materialien, die sonst weggeworfen werden oder an die noch niemand gedacht hat kommen zum Einsatz wie zum Beispiel farbige Schneckenexkremente für Linoleum oder Miesmuscheln für Schmuck. Der Designer Daan Roosegaarde entwickelte schon vor drei Jahren in Peking eine Technologie, die üblicherweise in Krankenhäusern eingesetzt wird: Ein spezieller Filter reinigt verschmutzte Luft von Kohlenstoffen und gibt sie gesäubert wieder an die Umwelt ab. Soweit nichts Neues, doch Roosegaarde presst aus dem gesammelten Kohlenstoff Ringe und Manschettenknöpfe.
Wer den Schmuck trägt, unterstützt nicht nur den Umweltschutz, sondern erinnert auch sich und andere jeden Tag daran, wie wichtig unsere Umwelt ist. Während eines effizienten ‘Pressure Cooker Workshops’ im Vorhoelzer Forum führt das Projekt ‚CIRCO‘ Unternehmen und Designer in die Prinzipien und Möglichkeiten der Kreislaufwirtschaft ein.
Ebenso wichtig ist dem holländischen Staat die Förderung der wissenschaftlichen Designausbildung. Industriedesign ist in den Niederlanden ist schon lange eine Disziplin an den technischen Universitäten, wobei eine starke Vernetzung unterschiedlicher Kompetenzen und Disziplinen angestrebt wird. An der bekanntesten niederländischen Ausbildungsstätte für Designer, der Design Academy in Eindhoven dreht sich ein Großteil der Ausbildung um menschliche Bedürfnisse und zukünftige Lebensräume.
Design ist in den Niederlanden mehr als in Deutschland in die öffentliche Forschungslandschaft eingebettet. Das Kompetenzzentrum CLICKNL betreibt eine intensive Förderung von Forschungsnetzwerken, in denen Kreative, die Wirtschaft und Forschungseinrichtungen eng zusammenarbeiten. In allen Disziplinen der Wissenschaft betreten Forscher täglich Neuland. Design forscht zwar nicht zu Klimafragen und Krankheiten, hilft aber, diese Themenfelder differenziert zu betrachten. Aus dem Design Research Bereich kommen Forschungsbeiträge aus den Bereichen Universal Design, Service Design, Gamedesign oder Interface- und Interactiondesign. Die Beschäftigung mit der Visualisierung von urbanen und sozialen Daten ist ein Beispiel für einen solchen Forschungsbezug.
Dutch Design steht heute allerdings weniger für Luxus und Lifestyle. In den Niederlanden hat man längst erkannt, dass es im Bereich Design gilt, Krisen als Chance zu nutzen. Bereits im Mai 2015 wurde die Flüchtlingsthematik auf der Social Design Konferenz ‚What Design Can Do‘ als eines der dringendsten gesellschaftlichen Probleme unserer Zeit diskutiert: Wie kann Design Lösungen anbieten, um vor allem den Menschen vor Ort ein Stück Würde und Selbstbestimmung zurückzugeben. Die Bandbreite der Themen, denen sich niederländische Designer heutzutage widmen, reicht von den Folgen der zunehmenden Urbanisierung über den Klimawandel und den demographischen Wandel bis hin zu intelligenten Lösungen für den schwächelnden Einzelhandel. Stellvertretend für viele smarte Lösungen sei an dieser Rem Koolhaas erwähnt, der soeben den Auftrag erhalten hat, das legendäre Kaufhaus des Westens in Berlin zu einem Smart Retail – Tempel umzubauen. Auch fünf ehrwürdige Berliner Museen werden neuerdings von dem Niederländer Paul Spies zu Orten der Interaktion und Kommunikation transformiert. Formgebung spielt auch eine immer größere Rolle bei der Einrichtung von Schulen, Krankenhäusern und Altenheimen. Hier eröffnen sich versprechende Märkte.
Kommen wir zum Schluss:
Ich denke wir sind uns alle einig, dass Kreativität die Schlüsselkompetenz für das 21. Jahrhundert ist, die Kraft, die Problem in Fortschritt verwandelt und so Zukunft möglich macht.
Kreativität ist per Definition das Außerplanmäßige und vorn ist da, wo sich keiner auskennt!
Der größte Unterschied zwischen der deutschen und der niederländischen Kreativwirtschaft ist wohl die Herangehensweise.
Man kann die niederländische Haltung am besten mit ‘Design before law’ beschreiben. Neue Ideen werden in der Praxis entwickelt und vor allem ausprobiert, bevor auf einer höheren Ebene Regeln und Rechtsvorschriften angewendet werden. Dieses „bottom-up“ System kann die Anpassung an neue Entwicklungen beschleunigen. Unsere unbürokratische Herangehensweise, der sogenannte „Dutch Approach“ scheint mir daher ein prima Exportprodukt zu sein.
Eine gute Design-Strategie besteht darin, das Beste aus beiden Welten zu kombinieren: die Neugierde einer Bastlerbude mit der Vertriebspower eines Unternehmens, Phantasie mit Gründlichkeit. Es reicht nicht, eine hervorragende Technik anzubieten, sondern die Problemlösung – ein geschlossenes Leistungskonzept – ist das, was der Kunde will.
In der Metropolregion München jedenfalls sind alle Voraussetzungen für eine erfolgreiche Zusammenarbeit gegeben, hoffentlich nicht nur in diesem Jahr, sondern auch darüber hinaus. Fest steht, dass der experimentierfreudige Input aus den Niederlanden sich ganz hervorragend ergänzt mit den starken Produktionsstandorten im Süden Deutschlands.
Zur Stärkung der wechselseitigen Beziehungen reisen – wie Sie vielleicht schon wissen – auch Seine Majestät König Willem-Alexander und Ihre Majestät Königin Máxima am 13. und 14. April zu einem Arbeitsbesuch nach Bayern.
Bereits im Vorfeld der MCBW und nach der MCBW haben Sie die einzigartige Möglichkeit, niederländisches Design und seine Besonderheiten näher kennen zu lernen. Insgesamt bieten wir Ihnen nicht weniger als 28! oranje-gefärbte Beiträge. Die Farbe ‚orange‘ steht übrigens für Erfrischung und Fröhlichkeit, sie stimmt optimistisch und hellt die Stimmung auf.
Das Programm und alles, was Sie später vielleicht noch über die niederländische Kreativwirtschaft nachlesen möchten, finden Sie in deutscher Sprache auf der Website creativeholland.com.
In den zwanziger Jahren des vorigen Jahrhunderts nahm die europäische Moderne – mit Theo van Doesburg und de Stijl – ihren Anfang.
Lassen Sie mich daher schließen mit dem Appell von damals: “Let’s build a better world“.
Wir freuen uns auf Sie!
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