Grusswort Jan-Erik Baars @ MCBW Medientag 17 februar 2016
Sehr geehrte Damen und Herren,
Das Wort Kultur stammt aus dem Lateinischen: cultura bedeutet so viel wie „Bearbeitung, Pflege oder Ackerbau“ und bezeichnet im weitesten Sinne alles, was der Mensch selbst gestaltend hervorbringt.
Was aber prägt eine Kultur? Der ‚Acker’, den der Mensch kultiviert, befindet sich in der Regel in seiner unmittelbaren Umgebung – Kultur entsteht durch gestaltende Menschen in Bezug zu ihrem Um-feld.
Da die Felder und die zugehörigen Rahmenbedingungen sich regional unterscheiden, unterscheidet sich auch die diesbezügliche Kultur.
Kulturelle Unterschiede wirken sich gravierend auf die Art und Weise aus, wie Menschen in der Gestaltung ihres Umfeldes vorgehen. Zum Beispiel siedelten sich in den Niederlanden NUR jene Menschen an, die mit der Tatsache von Wasser und Sümpfen umgeben zu sein prima leben konnten. Wohingegen man im benachbarten Deutschland eher die Anhöhen aufsuchte, um dort Burgen zu errichten: denn man weiss ja nie!
Bedingt durch den Kontext und das ‚beackern‘ ihres Umfeldes, entstanden so jene kulturellen Merkmale, die die Niederlande charakterisieren:
Pragmatismus, denn die nächste Flutwelle verändert die geschaffene Umwelt eh wieder,
Kontaktfreudigkeit, denn wenn wir schon um die Welt segeln, dann freuen wir uns über jeden, den wir treffen!
Sparsamkeit / Reduziertheit, denn wer quasi auf See wohnt, oder von ständig verändernden Umständen umgeben ist, der konzentriert sich auf des Wesentliche! Toleranz, denn in einem Land – oder einem Boot – mit so wenig Platz, muss man den anderen aushalten können!
Ignoranz, denn die Voraussicht, dass man jederzeit absaufen kann ist für uns Niederländer einfach nur lächerlich!
In einem Umfeld, das durch diese Merkmale gekennzeichnet wird, ist auch Innovation entsprechend ausgerichtet: es sucht nach Vereinfachung, nach pragmatischen und zweck-orientierten Lösungen, will Kontaktbarrieren abbauen, in dem es offen und auch konfrontierend mit Inhalten umgeht.
So entstehen Dienstleistungen, die pragmatisch vorgehen, Produkte die Barrieren abbauen und pragmatisch sind bis hin zu Gestaltungslösungen, die auf Toleranz setzen und dabei auch konfrontierend sind. Beispiele finden Sie u.A. in der Ausstellung Dutch Design 2015.
Die Stärke der Niederländischen Innovation liegt in der Art, wie sie im übertragenen Sinne „den Finger in die Wunde“ legen kann: Sie vermag Themen zu adressieren, die in anderen Kulturen zwar erkannt, jedoch nicht genannt werden wollen oder können. Gerade in Fragestellungen der Ernährung, oder der Versorgung für Bedürftige, gelingt es den Niederländern pragmatische und teilweise konfrontierende, jedoch hoch kreative Ansätze zu formulieren, die zum Beispiel in Deutschland meist kritisch betrachtet werden, bevor man das innovative darin erkennt. Deutschland tut sich in Konzepten der Urbanisierung, dem Wohnungsbau, oder auch in der Entwicklung von Bio-Innovationen schwer – wer isst schon Tomaten aus den Niederlanden?
Kreativität und Innovation ist in den Niederlanden – einem fast vollständig urbanisierten Land – vor allem etwas, zwischen Menschen und Menschen. Prozesse, Technologien und Maschinen stehen dabei nicht – wie in Deutschland – im Vordergrund. Wenn doch, dann in der Rolle als Hilfsmittel, also pragmatisch.
Die Herausforderung in der nahen Zukunft liegt vor allem darin, das Zusammenleben der Menschen zu innovieren und die Nutzung der Technologien dabei zweckdienlich ein zu setzen. Dafür braucht es pragmatische, vielleicht sogar konfrontierende, Konzepte die sich wiederum auf Umsetzungsprozesse stützen, die verlässlich und sicher sind. Genau hier wären die unterschiedlichen Innovations-Kulturen der Niederländer und Deutschen komplementär: Die Stärke der Niederländer, offen und pragmatisch an die Dinge heran zu treten, kann von der Stärke der Deutschen, die Dinge nachvollziehbar und qualitativ zu implementieren, profitieren – und umgekehrt.
In einem solchen Miteinander kommt es vor allem darauf an, die verschiedenen Kompetenzen ‚multi-disziplinär‘ einzusetzen: also eben nicht nebeneinander, sondern bewusst miteinander. Gerade im Miteinander der kulturellen ‚Kompetenzen‘, die der Deutschen und der Niederländer, kann ein Mix entstehen, der besonders anreichernd und Innovationsfördernd ist. Stellen sie sich nur mal vor: die Gestaltungsfreude von Philips, kombiniert mit dem Qualitätsbewusstsein von BMW oder Siemens…
Oder nehmen sie ihr eigenes „Bayern München“: In Fakt ist es ein multi-disziplinäres Team, das verschiedene Kompetenzen und Kulturen erfolgreich zusammen bringt – ja, auch Niederländer spielen dort eine Rolle!
Gerade in der jetzigen Zeit der Abschottung und der Ängste muss man das Miteinander geradezu beschwören! Kein Mensch kommt ohne den Anderen aus, kein Land kann ohne andere Länder eine Zukunft bauen. Das Miteinander, die Zusammenarbeit: das ist der Schlüssel für die relevanten Lösungen der Zukunft.
Vielen Dank.
- Beispiele für Dutch Design:
Daan Roosegaarde, urban design
Scholten & Baijings,
Studio Job
Marlies Rohmer, Wasserwohungnen
Plant Lab, Horticulture
© Jan-Erik Baars, 2016
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